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Frakturrisiko bei anti-osteoporotisch behandelten Frauen korreliert mit der Änderung der Knochendichte

Diese Aussage ist zunächst nicht sehr bemerkenswert, wurde bisher allerdings überwiegend aus prospektiven randomisierten kontrollierten Studien abgeleitet (1, 2). W.D. Leslie et al. aus Winnipeg (Kanada) berichten über eine retrospektive Analyse zu diesem Thema, die auf der Auswertung von Datenbanken des öffentlichen Gesundheitsdienstes des Bundesstaates Manitoba (ca. 1,2 Mio. Einwohner) beruht. Sie spiegelt die Osteoporose-Diagnostik und -Therapie in der täglichen Praxis dort wider. In Manitoba wird allen Frauen ab dem 65. Lebensjahr oder jüngeren Frauen mit erkennbaren Risiken für Osteoporose eine Messung der Knochendichte (BMD) mit Dual-energy X-ray Absorptiometrie (DXA) von standardisierten Skelett-Regionen empfohlen. Die Durchführung der DXA-Untersuchungen unterliegt offenbar einer strikten methodischen Kontrolle. Die Ergebnisse aller BMD-Messungen, von begonnenen anti-osteoporotischen Therapien sowie von traumatischen oder minimal-traumatischen Frakturen sind den bundesstaatlichen Datenbanken zu entnehmen und können personalisiert zusammengeführt werden. Frauen mit Verdacht oder mit bereits diagnostizierter Osteoporose wird eine erneute BMD-Messung nach drei Jahren empfohlen, solchen, die Glukokortikosteroide oder Aromatasehemmer einnehmen, bereits nach ca. einem Jahr. Die Autoren identifizierten nach Ausschluss von einigen Frauen mit unvollständigen Daten insgesamt 6.629 Frauen (mittleres Alter 64,3 ± 10,1 Jahre) mit mindestens zwei DXA-Messungen an der gesamten Hüfte im Abstand von im Mittel 4,5 Jahren (etwas weniger Messungen an der LWS), die nach der ersten DXA-Messung eine Therapie mit Bisphosphonaten, Calcitonin, Raloxifen, oralem Östrogen oder Teriparatid begonnen hatten. Sie durften mindestens ein Jahr vor der ersten DXA-Messung keine solchen Medikamente eingenommen haben. Weitaus die meisten Frauen nahmen Bisphosphonate ein. Eine genauere Dokumentation der Therapietreue war nicht möglich. Bei den meisten Frauen wurden während der gesamten Laufzeit der Studie mehr als zwei DXA-Messungen vorgenommen und dokumentiert. Die DXA-Messregion „gesamte Hüfte“ wurde als Hauptkriterium gewählt, weil dort die intraindividuelle Varianz bei erneuten Messungen in kurzen Abständen am geringsten war und weil Messungen an der LWS wegen spondylarthrotischen Veränderungen bei älteren Menschen unzuverlässig sind. Die Ergebnisse der erneuten BMD-Messungen wurden nach den Kategorien „unverändert“, „zunehmend“ bzw. „abnehmend“ mitgeteilt, auf der Basis von BMD in g/cm2 und unter Berücksichtigung der Fehlerbreite der Methode. Die Daten wurden von 1997 bis 2013 erhoben.

Ergebnisse: Während der mittleren Beobachtungszeit von 9,2 Jahren war bei 50,8% der Frauen die BMD (gesamte Hüfte) unverändert (stabil). Bei 30,4% der Frauen nahm sie zu und bei 18,8% nahm sie ab – trotz der verordneten anti-osteoporotischen Therapie. In diesem Zeitraum kam es bei 910 Frauen zu Frakturen (13,7%), einschließlich 198 Hüftfrakturen. Verglichen mit Frauen mit stabiler BMD hatten solche mit abnehmender BMD hochgerechnet nach 5 bzw. 10 Jahren absolut 2,9% (95%-Konfidenzintervall = CI: 1,5%-4,4%) bzw. 5,5% (CI: 2,8%-8,1%) mehr Hüftfrakturen (p = 0,001). Umgekehrt hatten Frauen mit zunehmender BMD im Vergleich mit der stabilen Gruppe absolut 1,3% (CI: 0,4%-2,2%) bzw. 2,6% (CI: 0,7%-4,5%) weniger Hüftfrakturen, was aber nicht signifikant war (p = 0,167). Ähnlich waren die Ergebnisse bei Korrelation von BMD-Änderungen am Schenkelhals und an der LWS mit der Inzidenz von Frakturen.

Die Autoren schließen aus ihren Ergebnissen, dass nicht nur in klinischen Studien – in ihnen werden viele potenzielle Probandinnen bzw. Patientinnen aufgrund von Begleiterkrankungen oder möglicher Unzuverlässigkeit bei Anwendung der Medikation ausgeschlossen – erneute BMD-Messungen nach Beginn einer anti-osteoporotischen Therapie Aufschluss geben können über Ab- bzw. Zunahme des Frakturrisikos. Vorausgesetzt ist allerdings eine sehr gute Überwachung der BMD-Messtechnik und der persönlichen Eignung des ausführenden und auswertenden Personals.

Der große Zeitabstand zwischen Erst- und Wiederholungsmessung der BMD in dieser Studie (im Mittel 4,5 Jahre) schränkt die Verwertbarkeit der Ergebnisse für das praktische Vorgehen ein. Die Leitlinie von 2014 des Dachverbandes der Deutschsprachigen Wissenschaftlichen Osteologischen Gesellschaften e.V. (DVO) empfiehlt für Patientinnen, bei denen eine Abnahme des T-Scores um 0,5 Standardabweichungen bei der DXA-Messung schon therapierelevant wäre, eine wiederholte Messung bereits nach einem Jahr, ansonsten nach zwei Jahren (4). Zunahme oder Abnahme des T-Scores dürften aber auch zu diesen Zeitpunkten Rückschlüsse auf das Frakturrisiko unter einer anti-osteoporotischen Therapie zulassen.

Fazit: Eine retrospektive Beobachtungsstudie aus dem kanadischen Bundesstaat Manitoba, in dem das gut organisierte staatliche Gesundheitssystem u.a. die Ergebnisse von Messungen der Knochendichte (BMD), anti-osteoporotischen Therapiemaßnahmen und Frakturen erfasst, ergab eine gute Korrelation zwischen Abnahme der BMD an der Hüfte – trotz anti-osteoporotischer Therapie – und häufigeren Hüftfrakturen im Verlauf von im Mittel 9,2 Jahren. Blieb die BMD stabil oder nahm sie zu, waren Hüftfrakturen gleich häufig. Bei Abnahme der BMD unter anti-osteoporotischer Therapie sollte die Therapietreue überprüft und die bisherige Therapie überdacht, d.h. gegebenenfalls beendet bzw. geändert werden.

Literatur

  1. Hochberg, M.C.,et al.: J. Clin. Endocrinol. Metab. 2002, 87, 1586. Link zur Quelle
  2. Wasnich, R.D.,und Miller, P.D.: J. Clin. Endocrinol. Metab. 2000, 85, 231. Link zur Quelle
  3. Leslie, W.D., etal.: Ann. Intern. Med. 2016, 165, 465. Link zur Quelle
  4. DVO-LeitlinieOsteoporose 2014. Link zur Quelle