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Angioplastie arteriosklerotischer Nierenarterienstenosen bei Hypertonie versus medikamentöse Therapie

Nierenarterienstenosen (RAS) können zu Bluthochdruck führen und die Nierenfunktion verschlechtern. Ein akuter Verschluss einer Nierenarterie kann eine akute schwere Hypertonie mit kardialer Dekompensation auslösen, die überwiegend durch einen starken Anstieg der Reninsekretion mit konsekutiver Aktivierung des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems vermittelt wird (1). Eine sich allmählich entwickelnde RAS infolge einer fibromuskulären Dysplasie der Gefäßwand kann die Ursache einer schwer behandelbaren Hypertonie sein. Diese seltene, überwiegend bei jüngeren Frauen auftretende, sekundäre Hypertonie lässt sich oft durch eine perkutane transluminale renale Angioplastie mit Stent-Implantation (PTRAS) oder durch eine offene chirurgische Revaskularisation bessern oder sogar heilen (2, 3). Bei älteren Hypertonikern sind die RAS jedoch meist arteriosklerotischer Genese (ARAS). Die Ergebnisse vieler Einzelstudien und Metaanalysen haben bisher bei ARAS keine eindrucksvollen Vorteile der PTRAS oder der offenen chirurgischen Revaskularisation im Vergleich mit einer intensivierten antihypertensiven Therapie ergeben (vgl. 4).

Raman et al. aus den USA und Großbritannien haben jetzt hierzu eine umfangreiche und detaillierte Systematische Review im Auftrag der „Agency for Healthcare Research and Quality“ (AHRQ) publiziert (5). Die üblichen Datenbanken wurden hinsichtlich randomisierter kontrollierter Studien (RCT), nicht-randomisierter Vergleichsstudien (NRT) und Einzelfall-Berichten der letzten ca. 15 Jahre gesichtet. Nachbeobachtungszeiten von > 6 Monaten für den Vergleich von PTRAS mit medikamentöser Therapie waren hinsichtlich folgender Merkmale für den Einschluss in die Review erforderlich: Allgemeine und kardiovaskulär verursachte Letalität, Nierenfunktion, Nierenersatztherapie, Änderungen des Blutdrucks und unerwünschte Ereignisse.

Ergebnisse: Bei fünf der sieben nach dem Jahr 2000 begonnen RCT war die Zahl der eingeschlossenen Patienten in beiden Behandlungsgruppen klein. In diesen Studien und in den beiden umfangreichen RCT mit jeweils > 400 Patienten in beiden Vergleichsgruppen, CORAL (6) und ASTRAL (7), waren die mittleren Blutdruckwerte zu Beginn nicht stark erhöht: Im Mittel betrugen sie ca. 150 mm Hg systolisch.

In CORAL hatten ca. 20% der Patienten doppelseitige ARAS. In diesen beiden Studien wurden die Patienten der konservativen Gruppe mit Betablockern, Kalziumantagonisten und Diuretika unter Ausschluss von ACE-Hemmern und Angiotensin-Rezeptor-Blockern behandelt, in den kleineren Studien dagegen auch fast immer mit Hemmern des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems. In den RCT fanden sich keine wesentlichen Unterschiede hinsichtlich Blutdrucksenkung, Nierenfunktion, Letalität, kardiovaskulärer Ereignisse oder Lungenödem.

In fast allen Studien, einschließlich CORAL und ASTRAL, war der Blutdruck in der Nachbeobachtungszeit nach PTRAS, aber auch nach weitergeführter ausschließlich medikamentöser Therapie, deutlich niedriger als bei Einschluss in die Studien; das spricht dafür, dass die Möglichkeiten der antihypertensiven Therapie zur Zeit der Randomisierung nicht ausgeschöpft worden waren.

In einigen RCT wurde das radiologisch geschätzte Ausmaß der ARAS nicht angegeben. In CORAL und ASTRAL waren die angegebenen Stenosegrade im Mittel jedoch recht hoch (ca. 67% bzw. 75%), was ihre hämodynamische Wirksamkeit sehr wahrscheinlich macht (vgl. 8). In acht NRT waren die Ergebnisse hinsichtlich Blutdruckkontrolle etwas günstiger nach PTRAS als bei ausschließlich medikamentöser Therapie, während sich bei anderen Endpunkten keine signifikanten Unterschiede zwischen den Vergleichsgruppen ergaben.

Die in den letzten 20 Jahren publizierten Fallberichte zu Patienten mit plötzlich entstandener oder verschlimmerter Hypertonie, Niereninsuffizienz und teilweise mit Lungenödem zeigen jedoch, dass die Revaskularisierung einer hochgradig stenosierten NAS, auch bei ARAS, therapeutisch sehr wirksam sein kann. Da missglückte „Fälle“ selten publiziert werden, ist hier jedoch mit einem Publikationsbias zu rechnen.

Bei ARAS hat die PTRAS auch zu beachtende akute Risiken. Folgende Komplikationen, z.T. zwei oder drei beim selben Patienten, wurden registriert (4): Größere Blutungen (1,3%), akutes Nierenversagen (2,8%), Gefäßdissektion (2,8%), Nierenarterienverschluss (1,6%), erforderliche Nierenersatztherapie (2,3%), Tod innerhalb von 30 Tagen nach der Intervention (0,7%).

Diskussion: Erfolgreiche PTRAS bei jüngeren Patient(inn)en mit fibromuskulär-dysplastischer RAS und auch bei einigen älteren Patienten mit akuter kardiovaskulärer Dekompensation infolge einer (meist einseitigen) RAS zeigen, dass das Prinzip der Revaskularisierung einer Niere bei ausgewählten Patienten therapeutisch sinnvoll und lebensrettend sein kann. Bei den meisten im Rahmen der referierten Studien (RCT und NRT) mit PTRAS oder weiterhin mit Medikamenten behandelten Patienten waren die ARAS offenbar nicht die vorwiegende Ursache der Hypertonie oder der eingeschränkten Nierenfunktion.

In prospektiven Studien werden meist relativ kurze Rekrutierungszeiten angestrebt, was dazu führt, dass auch Patienten eingeschlossen werden, die die definierten Einschlusskriterien nur knapp erfüllen. In fast allen eingeschlossenen Studien waren die mittleren Blutdruckwerte bei Beginn der Rekrutierung relativ niedrig (meist unter bereits bestehender antihypertensiver Therapie). Das lässt darauf schließen, dass bei diesen älteren Patienten die Indikation zur farbkodierten Doppler-Sonografie der Nierenarterien oder zur Nierenangiografie sehr großzügig gestellt wurde, statt zunächst die antihypertensive Therapie unter Kontrolle der Nierenfunktion und des Serumkaliums zu intensivieren (vgl. 9).

Fazit: Die Revaskularisierung einer durch fibromuskuläre Dysplasie (meist jüngere Frauen) stenosierten Nierenarterie (RAS) oder einer hochgradigen arteriosklerotisch bedingten RAS bei älteren Hypertonikern mit hypertensiver Dekompensation kann sehr wirksam sein („proof of principle“; 2). Bei älteren Hypertonikern mit Arteriosklerose, speziell der Aorta, sind RAS zwar häufig, aber nur selten die Ursache der Hypertonie. Eine neue Review hat aktuelle RCT und nicht-randomisierte Studien analysiert, in denen die Ergebnisse der perkutanen transluminalen Angioplastie arteriosklerotisch verengter Nierenarterien mit Stent-Implantation mit fortgesetzter medikamentöser antihypertensiver Therapie verglichen wurden. Es ergaben sich im Mittel keine wesentlichen Unterschiede zwischen den beiden Vorgehensweisen. Bei älteren Hypertonikern sollte deshalb nur im Fall einer schwer therapierbaren Hypertonie und/oder unerklärter Verschlechterung der Nierenfunktion nach einer Nierenarterienstenose gesucht werden.

Literatur

  1. Namazi,M.H., et al.: Cardiovasc. Revasc. Med. 2015, 16,190. Link zur Quelle
  2. Alhadad,A., et al.: J. Hum. Hypertens. 2005, 19, 761. Link zur Quelle
  3. Mousa,A.Y. et al., J. Vasc. Surg. 2012, 55, 421. Link zur Quelle
  4. AMB2009, 43, 85b. Link zur Quelle
  5. Raman,G., et al.: Ann. Intern. Med. 2016. Epub ahead of print. Link zur Quelle
  6. Cooper,C.J., et al. (CORAL = Cardiovascular Outcomes in Renal AtheroscleroticLesions): N. Engl. J. Med. 2014, 370, 13. Link zur Quelle
  7. Wheatley,K., et al. (ASTRAL = Angioplastyand STenting for Renal Artery Lesions):N. Engl. J. Med. 2009, 361, 1953. Link zur Quelle
  8. Sigmund,G., et al.: Fortschr. Röntgenstr. 2000, 172, 615. Link zur Quelle
  9. AMB2015, 49, 73. Link zur Quelle